Paul Di'Anno

München, Metroplois

29. März 2008



Neue Konzepte braucht das Land: Der ehemalige Iron-Maiden-Frontmann der ersten Stunde tingelt mittlerweile nicht mehr mit einer festen Begleitkapelle durch die Welt, sondern mit einer von Kontinent zu Kontinent, unter Umständen auch von Land zu Land wechselnden Begleitband. In Deutschland besteht diese im wesentlichen aus den Kämpen der Prog-Combo Re-Vision – also Daniel Düring und Andreas Ballnaus an der Gitarre, Christoph Lücker am Bass und Dominik "Dom" Nowitzki hinter der Schießbude (siehe Foto unten).




















Damit ist die Qualität der instrumentalen Performance schon mal abgesichert. Bliebe nur die Frage nach Paules stimmlicher Verfassung – zu unangenehm dämmern noch Erinnerungen an den desaströsen Auftritt beim Wacken:Open:Air 2001 durch den Synopsendschungel, als der ehemalige Shouter der ersten zwei Alben der Eisernen Jungfrauen Standards dieser beiden Scheiben nach allen Regeln der Kunst mit seiner indisponierten Kehle nicht nur vergewaltige, sondern förmlich massakrierte.





Doch heute – soviel ist nach dem Einstieg mit ’Wrath Child’ und ’Prowler’ sicher – überrascht der Brite zwar nicht mehr mit einer phrasierungsstarken, glasklaren Stimme, doch immerhin mit einer akzeptablen Leistung. Aber auch mit einem kleinen geografischen Aussetzer: „Hello Duisburg, ähm, fuckin’ Munich!“ heißt nach der Auftaktfanfare. Allerdings wird spätestens nach ’Marshall Lockjaw’ und ’Impaler’ – zwei Gassenhauern vom saustarken (und extrem unterbewerteten) NWoBHM-affinen Debüt MURDER ONE von Paul Di’Anno’s Killers – klar: Di’Anno sucht Abstand zu seinem Image des traditionellen Schwermetallers, der er nicht ist (und nie war). Das äußerst sich in einer entschieden schnelleren, partiell sogar Hardcore- und Punk-lastigen Interpretation solcher Maiden-Hits wie ’Remember Tomorrow’ (das Di’Anno seinem Kumpel und an Multipler Sklerose erkrankten Ur-Maiden-Trommler Clive Burr widmet), ’Killers’, ’Phantom Of The Opera’ oder (später in der Zugabe) dem Instrumental ’Transylvania’ sowie dem The-Sensational-Alex-Harvey-Band-Remake ’Faith Healer’ (für das zweite Killers-Werk MENACE TO SOCIETY gecovert) äußert. Höhepunkt: Zum Ende des offiziellen Sets hin kommen wir endlich mal wieder in den Genuss von ’Running Free’ – einer der besten Mitsinghymnen, die Iron Maiden je kreiert haben, aber schon lange nicht mehr in ihrem Programm führen.

Die Entertainment-Fähigkeiten des Briten sind heute zudem brillant: ’The Beast Arises’ widmet er seiner Ex-Frau, die ihn seines „gesamten Geldes beraubte“ – später noch einmal die Nummer ’A Song For You’ (O-Ton: „Möge meine Ex in der Hölle an Syphilis krepieren!“). Und irgendwann gibt es noch eine Warnung vor apothekenpflichtigem Kräutertabak: „Lasst die Finger von Marihuana – Marihuana ist nicht gut! Kokain ist besser! – Nein, im Ernst: Lasst die Finger von Drogen! Ich nehme jedenfalls keine mehr …“ Und etwa auch keine weniger? Spaß bei Seite …

Denn der Ernst von Di’Annos Selbstdefinition wird zum Schluss immer deutlicher: ’Blitzkrieg Bop’ der Punk-Heroen The Ramones verweist auf seinen eigentlichen musikalischen Background (in der Tat war der gute Mann vor seinem Engagement bei Maiden 1979 ein in Londons Punk-Szene geachteter Schreihals) – das abschließende ’Sanctuary’ (ebenfalls eher als NWoBHM-kompatibler Rock-Song im Repertoire Iron Maidens bekannt) ist hingegen nur anhand des Refrains (und das auch nur sehr schwer) erkennbar.

Nach der Show beim Meet’n’Greet setzt der Punker sogar noch zwei drauf, indem er durchblicken lässt, dass
1.) sein gerade in Arbeit befindliches und voraussichtlich Anfang 2009 erscheinendes neues Album schwere Punk-, Industrial- und Hardcore-Einflüsse aufweisen wird. Und 2.) Di’Anno dann während der folgenden Tour entschieden weniger Iron-Maiden-Titel im Programm führen wird. Siehe hierzu aber auch die News …









Playlist PAUL Di’ANNO

Wrathchild
Prowler
Marshall Lockjaw
Murders In The Rue Morgue
The Beast Arises
Children Of The Revolution
Impaler
Remember Tomorrow
Faith Healer
A Song For You
Killers
Phantom Of The Opera
Running Free
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Transylvania
Blitzkrieg Bop
Sanctuary